27.05.2014 13:05:31
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Deutsche Regierung bringt niedrigeren Garantiezins auf den Weg
Von Andreas Kißler
BERLIN--Anlagen in Lebensversicherungen werden nach neuen Plänen der deutschen Bundesregierung künftig für die Kunden an Attraktivität verlieren. Der ihnen zugesagte Garantiezins für neue Verträge soll ab 2015 von 1,75 auf 1,25 Prozent sinken, und ihre Beteiligung an den Bewertungsreserven der Lebensversicherer für Anleihen soll gekürzt werden, solange die zugesagte Garantieleistung gefährdet ist. Im Gegenzug soll es dann auch keine Ausschüttungen an Aktionäre geben.
Enthalten sind die neuen Regelungen laut Regierungskreisen in einem nun versandten Referentenentwurf des Finanzministeriums. Die von der Bundesregierung angekündigte Neuregelung des Versicherungssektors nimmt damit konkrete Züge an. Vorgesehen ist auch, dass die Beteiligung der Versicherten an den Risikoerträgen der Versicherer von 75 Prozent auf 90 Prozent erhöht wird.
"Wir haben Handlungsbedarf, um zu einer Stabilisierung des Sektors zu kommen", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter in Berlin. Das Kabinett solle den Gesetzentwurf deshalb in der ersten Juni-Woche beschließen, und eine Befassung des Bundestages sei im Juni und Juli geplant. Bei einer "positiven Begleitung" im Parlament könnte das Paket noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Die Neuregelung der Bewertungsreserven solle kurz nach diesem Beschluss wirksam werden. "Im Referentenentwurf ist kein Stichtag vorgesehen", sagte der Regierungsvertreter.
Um die Branche zu stabilisieren, will die Regierung mit dem Gesetzespaket wichtige Änderungen für die Lebensversicherer und ihre Kunden auf den Weg bringen. Die Bundesregierung hat die Branche und die Kunden mit ihren Plänen für eine Kürzung der Beteiligung an den Bewertungsreserven von Lebensversicherungen allerdings bereits tief verunsichert, weil sich die koalitionsinternen Abstimmungen dazu seit der Ankündigung der Pläne zunehmend zu einer Hängepartie entwickelten.
Die Bewertungsreserven sind Buchgewinne, die insbesondere aus nicht realisierten Gewinnen bei festverzinslichen Wertpapieren bestehen. Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 2008 profitieren Versicherte davon, dass sie bei Ablauf oder vorzeitigem Rückkauf ihrer Police einen großen Batzen der aufgelaufenen Bewertungsreserven ausgezahlt bekommen. Ihnen stehen seitdem eine Beteiligung von 50 Prozent daran zu. Diese soll nun nur noch ausgezahlt werden dürfen, wenn der Garantiezins gesichert ist.
Ob dies der Fall ist, soll die Finanzaufsicht auf Basis von Zahlen der Unternehmen entscheiden. "Mit einem gesetzlich vorgegebenen Verfahren ist künftig zu bestimmen, in welchem Umfang die gewährten Garantien unter Berücksichtigung der aktuellen Kapitalmarktzinsen nicht ausfinanziert sind", hieß es in einem Papier des Finanzministeriums. Betroffen sind aber nur Anleihen - für Immobilien und Aktien soll die Beteiligung an den Reserven nicht gekürzt werden.
Bewertungsreserven entstehen, wenn die mit den Beiträgen der Versicherten gekauften Finanzanlagen, zum Beispiel Staatsanleihen, zu bestimmten Stichtagen über ihrem Anschaffungspreis notieren. Und das ist in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase bei vielen älteren Anleihen mit hohem Zinskupon der Fall. "Steigen die Kapitalmarktzinsen wieder, dann entfällt die Begrenzung", hieß es.
Die Versicherer sollen laut den Plänen dazu verpflichtet werden, Risiken früher selbst zu erkennen und ihr Risikomanagement zu verbessern. Dazu sollen sie mehrjährige Prognoserechnungen anstellen müssen. Auch sollen neue Regelungen für die Sanierungsplanung der Unternehmen vorgesehen und die Handlungsoptionen der Aufsicht bei Unternehmenskrisen erweitert werden.
Mit ihrem viel diskutierten Gesetzespaket will die Bundesregierung ein ähnliches Fiasko vermeiden, wie es die schwarz-gelbe Vorgängerregierung Anfang 2013 erlitt, als sie schon einmal einen Versuch unternahm, auf die niedrigen Zinsen eine Antwort zu finden. Damals wollte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nur die Bewertungsreserven regeln, um die Versicherungen zu stabilisieren. Doch sogar Schäubles Christdemokraten ließen den Plan auf einem Parteitag durchfallen, weil sie ihn als Benachteiligung der Versicherten empfanden.
DJG/ank/apo
Dow Jones Newswires