19.06.2016 14:14:46

Brexit gefährdet Fusion der Deutschen Börse mit der LSE

Von Eyk Henning FRANKFURT (Dow Jones)--Die geplante Fusion der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange (LSE) wird durch einen möglichen "Brexit", ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU, gefährdet. Politiker, Regulierer und Banker sehen zahlreiche Hürden bei dem Versuch, die beiden Börsen zusammenzubringen.

   Doch selbst wenn die Briten am Donnerstag für den Verbleib in der EU stimmen sollten, könnte die Fusion mit wachsendem politischen Gegenwind zu kämpfen haben. Durch den Zusammenschluss würde eine der größten Börsen weltweit mit einer Marktkapitalisierung von 30 Milliarden Euro entstehen.

   Im Februar hatten die Deutsche Börse und die LSE den Plan einer Fusion angekündigt, mit der sie den aggressiven Rivalen in den USA und Asien besser Paroli bieten könnten. Führungskräfte beider Unternehmen priesen das Projekt als Integration der europäischen Kapitalmärkte mit einer besseren Finanzstabilität und einem leichteren Mittelzugang der Unternehmen.

   Die beiden Börsen haben im Juni mitgeteilt, dass die LSE-Eigner am 4. Juli über das Zusammengehen entscheiden sollen, während die Angebotsfrist für die Aktionäre der Deutschen Börse am 12. Juli endet. Diese Termine offerieren den Eignern die Möglichkeit, erst nach dem britischen Referendum über die EU-Mitgliedschaft zu entscheiden.

   Die mit der Fusion betrauten Personen räumen inoffiziell ein, dass die Hürden für einen Abschluss im Fall eines Brexit erheblich wären. Dann sei mit steigendem politischem Einspruch, strengerem Vorgehen der Regulierer und einer veränderten Bewertung der beiden Unternehmen zu rechnen.

   Ein Hauptpunkt der Kritiker ist, dass die Deutsche Börse von der geplanten Holdinggesellschaft kontrolliert würde, die ihren Sitz in London hat. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse Carsten Kengeter hatte im vergangenen Jahr die politische Zustimmung von höchster Ebene für die Ansiedlung der Holding in London erhalten, wie informierte Personen sagen.

   "Warum ist der Sitz der Holdinggesellschaft und ihrer Führung in London, obwohl die Deutsche Börse AG der offensichtlich stärkere Partner ist?", schrieb der FDP-Politiker und hessische Landtagsabgeordnete Florian Rensch in einem privaten Brief an Kengeter, den das Wall Street Journal einsehen konnte.

   Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir von den Grünen muss der Fusion das Plazet erteilen, hat sich aber bislang noch nicht öffentlich über seine Intentionen geäußert. Andere hessische Landespolitiker quer durch die Parteien haben ihre Bedenken verdeutlicht. "Unabhängig vom Ausgang des britischen Referendums muss der Sitz einer fusionierten Gruppe in Frankfurt sein", sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Boddenberg. Denn die Deutsche Börse sei das größere Unternehmen. Er hebt überdies hervor, dass das britische Unternehmensrecht stärker den Shareholder Value betone, was möglicherweise dem Ziel entgegenstehe, Frankfurt als Finanzplatz zu stärken, etwa wenn es um die Investitionen in die IT-Infrastruktur geht.

   Vertreter der deutschen Finanzaufsicht BaFin äußerten sich privat besorgt zu der Fusion für den Fall eines Brexit. Denn dann befände sich die britische Finanzbranche und damit auch die neue Holdinggesellschaft außerhalb der EU-Aufsicht. Weitere von Investoren befürchtete Folgen eines Brexits wären ein drastischer Fall des britischen Pfunds und sinkende Handelsvolumina an der Londoner Börse - beides würde die Bewertungsgrundlage des Deals verändern.

   Selbst wenn Großbritannien in der EU bliebe, könnten die Kompliziertheit des deutschen Übernahmerechts und die Aktionärsstruktur der Deutschen Börse eine Vereinbarung verhindern. Mindestens 14 Prozent der Deutschen Börse befinden sich in der Hand von Indexfonds, wie Berechnungen des Wall Street Journal ergeben haben. Wegen interner Regeln entscheiden solche Investoren oftmals erst wenn ein Angebot komplett ist. Die Formalitäten könnten das Erreichen der 75-Prozent-Hürde erschweren, die zum Abschluss des Vorhabens notwendig ist, wie informierte Personen sagen.

   Führungskräfte aus beiden Lagern haben indes gewarnt, dass die LSE und die Deutsche Börse zur Beute größerer Wettbewerber aus den USA und Asien werden könnte, falls die Fusion nicht kommt. Der Eigner der New York Stock Exchange, die Intercontinental Stock Exchange, hatte im Mai gesagt, sie werde für die LSE nicht bieten, könnte dies aber überdenken, wenn die LSE nicht mit der Deutschen Börse fusionieren sollte.

   Und die Chicago Mercantile Exchange, die nach Marktbewertung größte Börse der Welt, könnte eine Annäherung an die Deutsche Börse versuchen - dies war zumindest die Spekulation von Kengeter im Mai.

   Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

   DJG/DJN/raz

   (END) Dow Jones Newswires

   June 19, 2016 07:44 ET (11:44 GMT)

   Copyright (c) 2016 Dow Jones & Company, Inc.- - 07 44 AM EDT 06-19-16

Analysen zu London Stock Exchange (LSE)mehr Analysen

29.11.24 London Stock Exchange Neutral UBS AG
30.10.24 London Stock Exchange Hold Deutsche Bank AG
25.10.24 London Stock Exchange Outperform RBC Capital Markets
24.10.24 London Stock Exchange Neutral UBS AG
24.10.24 London Stock Exchange Outperform RBC Capital Markets
Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!

Aktien in diesem Artikel

Deutsche Börse AG 221,50 0,77% Deutsche Börse AG
London Stock Exchange (LSE) 134,00 0,75% London Stock Exchange (LSE)