23.11.2016 15:32:00

Brexit - IHS-Kocher: 200 bis 300 Mio. Euro höherer EU-Beitrag

Die jährlichen österreichischen Beitragszahlungen für das EU-Budget dürften sich im Falle eines EU-Austritts Großbritanniens (Brexit) um 200 bis 300 Millionen Euro erhöhen, erwartet IHS-Chef Martin Kocher. Die direkten Effekte eines Brexit auf Österreich seien gering, die indirekten könnten massiv sein, sagte Kocher am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung von Spängler IQAM Invest.

Für Österreich rechnet Kocher im Falle eines Brexit mit 0,1 bis 0,2 Prozent weniger BIP-Wachstum in den nächsten Jahren. Bis 2020 wären das um 0,4 bis 0,5 Prozent weniger, als wenn Großbritannien in der EU bleiben würde. Großbritannien selbst wäre viel stärker betroffen. Laut OECD würde das britische BIP bis 2020 um 3,3 Prozent geringer ausfallen als ohne Brexit. Von einem Brexit besonders betroffen wären laut dem IHS-Chef vor allem Irland, Luxemburg, Belgien, Schweden, Malta und Zypern.

Gegebenenfalls könnten sich massive indirekte Effekte auf Österreich ergeben, da der Brexit politisch große Gefahren für die EU und die EU-Institutionen in sich berge, so Kocher. Politische Konsequenzen könnten sich etwa aus dem Fehlen eines liberalen Korrektives in der EU und der Verschiebung der Abstimmungsmacht innerhalb der EU bei qualifizierter Mehrheit ergeben. So würden etwa die nordischen "calvinistischen" Staaten die Eigenschaft der "Blocking Minorities" verlieren. Die EU würde auch auf internationaler Ebene ein politisch wichtiges Land verlieren, zum Beispiel im UNO-Sicherheitsrat.

Einen "Hard Brexit" - also einen klaren Schnitt zwischen Großbritannien und der EU, verbunden mit einem Rückfall auf WTO-Handelsregeln - hält Kocher für sehr unwahrscheinlich. Dieser werde aber sicher Teil des Drohpotenzials bei den Verhandlungen sein.

"Weiche" EU-Verhandlungen wiederum würden nicht im Interesse der EU-Kommission liegen, wohl aber von Großbritannien und wichtigen EU-Lobbygruppen wie der deutschen Autoindustrie. Die Kommission habe aber großen Anreiz, ihre Reputation zu behalten. Die dritte Möglichkeit seien harte EU-Verhandlungen, mit einem Ergebnis, das London nur schwer akzeptieren könnte.

Einen "Reverse Brexit", also einen Ausweg aus dem Brexit heraus, hält Kocher für wenig wahrscheinlich. Die britische Regierung müsste das Parlament und die Bevölkerung nochmals befragen. Es könnte sich zwar eine solche Dynamik ergeben, das sei aber relativ unwahrscheinlich. Letztendlich könnte jede Timing-Frage für das Verhandlungsergebnis entscheidend sein. Kocher hält eine Mischung von weichen und harten EU-Verhandlungen für am wahrscheinlichsten.

(Schluss) ggr/fre/sm

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