Quer durch alle Branchen |
26.05.2016 08:40:00
|
Brexit - EU-Austritt würde sämtliche Wirtschaftsbereiche betreffen
"Die City of London wird ihren Status verlieren", sagte OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny jüngst in einem Zeitungsinterview. Für die Briten sei dabei ein Austritt ökonomisch schlimmer als für den Rest Europas.
Bei einem Brexit würden im schlimmsten Fall nämlich alle vier Grundfreiheiten des gemeinsamen EU-Binnenmarktes nicht mehr gelten. Die Briten müssten ihr Verhältnis zur EU von Grund auf neu verhandeln. Dazu hätten sie zwei Jahre Zeit.
Zu den vier Grundfreiheiten zählen der freie Warenverkehr, die Dienstleistungsfreiheit, die Personenfreizügigkeit und der freie Kapital- und Zahlungsverkehr. Je nachdem, wie sich die Verhandlungen mit der EU über den Austritt entwickeln, könnten diese Grundfreiheiten mehr oder weniger stark eingeschränkt werden.
"Was da letztlich in zwei Jahren herauskommt, ist offen. Vom stark integrierten norwegischen Modell bis hin zu einer reinen WTO-Beziehung ist alles drinnen", sagt Stephan Denk von der Wiener Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer im APA-Gespräch. "Wenn man sieht, wie viele enge Anknüpfungspunkte es zwischen Großbritannien und der EU gibt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass man in zwei Jahren ein umfassendes Paket für einen Austritt schnüren kann", ergänzt sein Partner Florian Klimscha. Zudem werde die EU darauf bedacht sein, keinen Präzedenzfall für andere Länder zu schaffen.
Bei der norwegischen Option würde sich für den Binnenmarktzugang wenig ändern, Großbritannien müsste wie Norwegen weiter EU-Mitgliedsbeiträge zahlen, hätte aber weniger Mitbestimmungsrechte. Beim anderen Extrem, der WTO-Option, würden dagegen alle Grundfreiheiten wegfallen.
Auf den Warenverkehr könnte sich ein Brexit besonders stark auswirken, denn der Handel zwischen Großbritannien und der EU macht deutlich über 50 Prozent des britischen Außenhandels aus. Schlimmstenfalls würden wieder Zölle eingehoben werden. In der Dimension wäre das für die britische Wirtschaft durchaus gewaltig, meinen die Experten.
"Da in Großbritannien vergleichsweise wenig Waren produziert werden, wird der Wegfall der Dienstleistungsfreiheit wohl eine größere Rolle spielen, als etwa die Arbeitnehmerfreizügigkeit", führt Denk aus. Betroffen wäre davon vor allem die Finanzbranche.
Ein Einschnitt bei den Finanzdienstleistungen wäre auch deshalb so groß, weil die britischen Institute derzeit relativ bequem mit dem "Passport-System" mit einer Lizenz in ganz Europa Geschäfte betreiben können. Betroffen wären aber auch der Zahlungsverkehr, Wertpapierhandel oder das Derivate-Clearing mit zentraler Gegenpartei (Central Counterparty, CCP). Alles Dinge, wo heute völlig selbstverständlich Kapitalverkehrsfreiheit in Anspruch genommen wird, so die Experten. Börsen wie Frankfurt könnten davon profitieren. Eine Europäische Bankenaufsicht (EBA) in London würde dann auch nicht mehr gehen.
APA
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Weitere Links: