07.08.2014 12:06:32
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Berlin fürchtet Eskalation des Konflikts mit Russland
Von Andreas Kißler
BERLIN--Der Russlandbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Gernot Erler, hat nach der Ankündigung russischer Gegensanktionen vor der Gefahr einer drohenden Handelsauseinandersetzung mit Russland gewarnt. Auch einen russischen Einmarsch in der Ostukraine schloss er ausdrücklich nicht aus. Gleichzeitig forderte der SPD-Politiker erneut eine Verhandlungslösung für den Konflikt mit einer Einbeziehung der ostukrainischen Rebellen.
"Es hat genug Warnungen gegeben, dass selbstverständlich, wenn man Sanktionen im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich beschließt, die Gefahr einer Eskalation, einer Spirale entsteht, dass sich das wechselseitig hochschaukelt", sagte Erler im ZDF-Morgenmagazin auf die Frage, ob angesichts der von Russland angekündigten Maßnahmen im Agrarbereich ein "Handelskrieg" drohe. "Das kann zu einer Wutentwicklung, auch zu Frustration und dann zu dieser Spirale, vor der alle gewarnt haben, führen."
Russland hat als Reaktion auf die jüngsten Wirtschaftssanktionen Strafmaßnahmen gegen den Westen verhängt. Präsident Wladimir Putin ordnete an, für ein Jahr die Einfuhr bestimmter Agrargüter aus Ländern zu verbieten, die sich an den Sanktionen beteiligen. Ministerpräsident Dmitri Medwedew erklärte am Donnerstag, es werde ein "komplettes Embargo" für Rind-, Schweine-, und Geflügelfleisch, Fisch, Käse, Milch, Gemüse und Obst aus den USA und der EU verhängt.
Der Vorstoß ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass Putin dem Ansinnen des Westens trotzt, Russland zur Aufgabe seiner Unterstützung der prorussischen Separatisten in der Ostukraine zu bewegen. In den vergangenen Wochen hat Russland laut USA und dem Verteidigungsbündnis Nato neue Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert. Die Truppenstärke wird nun auf 20.000 geschätzt. Polens Ministerpräsident Donald Tusk warnte am Mittwoch, dass das "Risiko einer direkten Intervention sicherlich jetzt höher ist als noch vor ein paar Tagen".
Erler forderte vor diesem Hintergrund erneut eine Verhandlungslösung für den Konflikt und hielt auch einen Einmarsch Russlands in die Ostukraine für möglich. Auch von Moskau propagierte mögliche "Friedenseinsätze" wären "nichts anderes als ein Einmarsch", meinte er. "Das wäre natürlich noch einmal eine Eskalation und würde politisch auch eine Art Erdbeben auslösen."
Der Russlandbeauftragte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte, die Anfang Juli vereinbarte "andauernde Waffenruhe" umzusetzen, und erinnerte auch den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko daran, dass er einen entsprechenden Plan akzeptiert habe.
Merkel selbst zeigte sich am Mittwochabend in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Angaben einer Sprecherin "besorgt, dass von Russland aus Nachschub für die Separatisten in den Donbass geliefert werde". Sie appellierte laut Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz an Putin, auf die Separatisten einzuwirken, um zu einem beiderseitigen Waffenstillstand zu gelangen, und betonte, übergeordnetes Ziel bleibe die Stabilisierung der Ukraine. Diese müsse selbst über die Gestaltung ihrer Zukunft entscheiden können.
Die Spannungen in der Ostukraine haben sich zuletzt noch einmal verschärft. Die ukrainischen Streitkräfte bereiten sich darauf vor, die Rebellenhochburgen Donezk und Lugansk zu stürmen. Wegen der Kämpfe ist nun die Suche nach den Opfern des vor drei Wochen abgestürzten malaysischen Passagierflugzeuges am Absturzort ausgesetzt worden. Die internationalen Experten könnten "in bestimmten wichtigen Zonen ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen", sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte.
Wegen der Zuspitzung ist Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Donnerstag auf Einladung Poroschenkos in Kiew. Seine Sprecherin warnte am Mittwoch davor, dass an der Grenze zusammengezogene russische Truppen unter dem Vorwand einer Friedensmission in die Ukraine einmarschieren könnten. Poroschenko sprach am späten Mittwochabend auch mit US-Vizepräsident Joe Biden.
(Mitarbeit: Gregory L. White und Laurence Norman, mit Material von AFP)
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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August 07, 2014 05:58 ET (09:58 GMT)
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