06.08.2014 15:01:30

Berlin bereitet sich auf Reaktionen Russlands zu Sanktionen vor

   -- Fachleute beraten zur Ukraine-Krise

   -- Regierung sieht keinen Anlass für Änderung ihrer Wachstumsprognosen

   -- Keine Hilfen für Abfederung der Sanktionsfolgen bei Unternehmen

   -- Minus von 3,2 Prozent bei Auftragseingängen im Juni

   -- Ifo beobachtet schlechteres Wirtschaftsklima in Eurozone

   (neu: Bundesregierung; mit Auftragseingängen, Kühnel/EU und ifo-Umfrage)

   Von Stefan Lange

   BERLIN--Nach der Verhängung schärferer Sanktionen gegen Russland bereitet sich die Bundesregierung auf mögliche wirtschaftliche Reaktionen Moskaus vor. Die Fachleute im Auswärtigen Amt befassten sich "ganz konkret mit der Frage: Was können denn mögliche Gegenreaktionen sein und wie könnte dann eine Gegenreaktion der Bundesregierung aussehen", erklärte Außenamtssprecherin Sawsan Chebli am Mittwoch in Berlin. Details nannte sie nicht. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der angespannten Lage in der Ukraine sind derweil immer spürbarer: Die Auftragseingänge der deutschen Industrie gingen im Juni um 3,2 Prozent zurück, das Wirtschaftsklima in der Eurozone trübte sich laut einer ifo-Umfrage deutlich ein.

   "Wer Sanktionen verhängt, muss auch mit den Kosten rechnen", bekräftigte Chebli frühere Aussagen der Bundesregierung. Es sei hinreichend bekannt, dass die russische Regierung unter Wladimir Putin auf Druck mit Gegendruck reagiere. Letztendlich handele es sich bislang aber nur um Spekulationen, was von russischer Seite an Gegenmaßnahmen kommen könnte, betonte Chebli. Die Bundesregierung sei dem nicht ausgeliefert. "Wir machen uns schon Gedanken, was es für die Bundesregierung bedeutet, wenn da was kommt."

   Bislang sei nur bekannt, dass es auf russischer Seite Einfuhrbeschränkungen für die Lieferung von Äpfeln und Kohl aus Polen gebe, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Die Bundesregierung werde die Auswirkungen der Sanktionen sehr genau beobachten, erklärte Wirtz und verwies darauf, dass die beschlossenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten durch die EU überprüft werden sollen.

   "Konjunktur ist intakt"

   Für das von SPD-Chef Sigmar Gabriel geführte Wirtschaftsministerium erklärte Sprecher Adrian Toschev, die Auswirkungen der Sanktionen würden sehr genau verfolgt. Man nehme die Probleme "sehr ernst", die einzelnen Unternehmen gegebenenfalls entstehen könnten.

   "Wir verfolgen insbesondere die konjunkturelle Entwicklung", sagte Toschev. Zwar habe es im Zeitraum Januar bis Mai 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Rückgang der Exporte nach Russland um 14,7 Prozent gegeben. Was die Gesamtlage angeht, so sei "die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung in Deutschland allerdings intakt". Es gelte die vorsichtige Frühjahrsprognose von 1,8 Prozent der Bundesregierung. "Der Aufschwung basiert auf einem sehr starken privaten Konsum und momentan gibt es für die konjunkturelle Entwicklung keinen Anlass zur Änderung."

   Auf die Frage, ob es aufgrund höherer Risiken Änderungen bei den Konditionen für Hermesbürgschaften gebe, erklärte der Sprecher, diese seien nicht teurer geworden. Zu Forderungen aus den Bundesländern nach einer Wirtschaftsminister-Konferenz mit Minister Gabriel sagte Toschev, ein Termin für eine solche Veranstaltung sei nicht bekannt. Es sei den Landeswirtschaftsministern unbenommen, eine solche Konferenz einzuberufen.

   Einzelne deutsche Unternehmen können derzeit allerdings auch bei starken Auswirkungen der Russland-Sanktionen nicht auf breite staatliche Hilfen zur Abfederung der negativen Effekte hoffen, wie der Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, Richard Kühnel, deutlich machte. Zwar prüfe auch Brüssel die Folgen der Sanktionen für die Firmen, doch sei dies "primär eine unternehmerische Frage, die die Unternehmen für sich stellen müssen", erklärte er. Wie weit auch öffentliche Unterstützung nötig werde, sei erst in der weiteren Folge eine Frage.

   Als Reaktion auf Moskaus Verhalten in der Ukraine-Krise verhängten die 28 Mitgliedstaaten bereits mehrfach Sanktionen gegen Russland. Die vergangene Woche beschlossene Verschärfung umfasst hauptsächlich ein Waffenembargo, Maßnahmen im Bereich Kapitalmarkt sowie Verbote für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern und Ausrüstung für bestimmte Projekte im Energiebereich. Daneben geht es um die Ausweitung von Kontensperrungen und Einreiseverboten sowie ein Investitions- und Lieferverbot für bestimmte Infrastrukturprojekte auf der Krim.

   Aufträge brechen ein

   In die am Morgen veröffentlichten Juni-Zahlen für die Auftragseingänge in der deutschen Industrie konnten die neuesten Sanktionen naturgemäß noch nicht einfließen. Gleichwohl lassen die Zahlen kaum eine Wende zum Besseren erwarten: Die Auftragseingänge gingen vor allem wegen eines Einbruchs bei den Großaufträgen im Juni gegenüber dem Vormonat um 3,2 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das Bundeswirtschaftsministerium machte für die Entwicklung hauptsächlich "geopolitische Entwicklungen und Risiken" verantwortlich, die offenbar zu einer Zurückhaltung bei den Bestellungen geführt hätten.

   Im Mai hatte es bereits ein Auftragsminus von 1,6 Prozent im Vergleich zum April gegeben. Von Dow Jones befragte Volkswirte hatten für Juni mit einem Plus von 0,8 Prozent gerechnet.

   Laut Ministerium kam der Rückgang nicht unerwartet. Einige Stimmungsindikatoren hätten dies bereits angedeutet, hieß es. "Es ist daher zu erwarten, dass sich die Industriekonjunktur in den kommenden Monaten eher moderat entwickeln wird", zeigte sich das Wirtschaftsministerium beim Blick in die Zukunft denn auch skeptisch.

   Der am Mittwoch veröffentlichte ifo-Index für die Wirtschaft im Euroraum zeigt für das dritte Quartal eine deutliche Eintrübung. Er ging um 4,1 Punkte auf 118,9 zurück, nachdem er zuvor mit 123,0 Zählern den höchsten Stand seit Ende 2007 erreicht hatte. Er sank damit auch unter den Stand im Auftaktquartal 2014 von 119,9. Damit hat sich die optimistische Einschätzung aus dem zweiten Quartal verflüchtigt und die damals geäußerte Erwartung zerschlagen, dass die konjunkturelle Erholung weiter Fahrt aufnehmen wird.

   Besonders belastet durch die absehbaren Folgen der Russland-Sanktionen sei die Stimmungslage in Estland und Finnland, zwei Länder mit ausgeprägtem Russland-Geschäft. Nur in Irland, den Niederlanden und Österreich zeichne sich eine leichte Verbesserung auf gedämpftem Niveau ab. Deutschland sticht laut der ifo-Umfrage weiter durch seine sehr gute wirtschaftliche Verfassung heraus.

   Mitarbeit: Hans-Joachim Koch und Andreas Kißler

   DJN/ank/stl/smh

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   August 06, 2014 08:54 ET (12:54 GMT)

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