23.03.2015 10:55:38
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Athen verstärkt Ermittlungen gegen Chef des Statistikamts
Von Nektaria Stamouli und Stelios Bouras
ATHEN (Dow Jones)-- Die griechischen Behörden weiten ihre strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Präsidenten der griechischen Statistikbehörde Elstat aus. Andreas Georgiou wird vorgeworfen, für 2009 ein zu hohes Haushaltsdefizit ausgerechnet und damit Griechenlands Kreditgebern die Rechtfertigung für die unpopulären Sparmaßnahmen geliefert zu haben.
Georgiou wurde Kreisen zufolge Ende vergangener Woche von der Staatsanwaltschaft für eine Aussage vorgeladen und wird am Montag weiter befragt. Da die eigentlich als eingeschlafen gewähnten Ermittlungen doch wieder ins Rollen kommen, gehen mit den Vorgängen vertraute Personen davon aus, dass der Fall vor Gericht landet.
Der neuerliche Druck auf Georgiou dürfte die Spannungen zwischen Griechenland und seinen internationalen Gläubigern vertiefen. Denn eine politisch unabhängig arbeitende Statistikbehörde war Teil der unliebsamen Reformauflagen, die Europa und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland im Gegenzug für Finanzhilfen gemacht hatten und die die neue griechische Regierungskoalition aus dem radikalen Linksbündnis Syriza und der rechtspopulistischen Partei Anel nun lockern will.
Das europäische Pendant zu Elstat, Eurostat, hatte - im Gegensatz zu früher - die von Georgiou angegebenen Defizitzahlen akzeptiert. In der Vergangenheit hatte Eurostat des öfteren Vorbehalte bezüglich der Richtigkeit griechischer Fiskaldaten geäußert.
Doch Georgious strikte Anwendung von Eurostat-Richtlinien auf die griechischen Staatsfinanzen ist etlichen griechischen Politikern und Elstat-Kollegen ein Dorn im Auge. Sie monieren, dass das in ihren Augen zu hoch ausgewiesene Haushaltsdefizit den griechischen Gläubigern bei der Vertretung ihrer Interessen in die Hände gespielt habe.
Der populistischen Rhetorik vieler griechischer Politiker zufolge ist die desolate Wirtschaftslage des Landes auf die Sparmaßnahmen des 2010 geschnürten Rettungspakets zurückzuführen und nicht auf den Verlust der fiskalen Kontrolle in den Jahren bis 2009. Die neue griechische Regierung hat parlamentarische Untersuchungen angekündigt, wer verantwortlich dafür war, dass Griechenland die strikten Sparauflagen aufgebürdet wurden, und ob sich die Anhäufung der massiven Staatsschulden durch Vorgängerregierungen im geltenden rechtlichen Rahmen bewegte.
Die Anel-Partei hat Georgious Rücktritt gefordert. Sie werfen ihm vor, dass er mit seinen statistischen Revisionen den Gläubigern erst die Munition geliefert hat, um ihre Forderungen durchzusetzen.
"Beide Parteien in der Koalition glauben an die Dienlichkeit dieses Themas für ihre Sache, da sie damit zeigen können, dass Griechenland in den vergangenen Jahren ein Opfer war und die Kreditgeber Griechenland übervorteilt haben", sagt Nick Malkoutzis, Gründer der Analyse-Website MacroPolis.gr.
Ende 2009 platzte die Bombe der griechischen Schuldenkrise, als ein Machtwechsel in Athen eine neue Haushaltsberechnung nach sich zog und die Regierung die der EU zuvor gemeldete Schätzung von 3,7 Prozent drastisch nach oben revidieren und ein Defizit von mehr als 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) einräumen musste.
Das bereits hoch verschuldete Land verlor im Zuge dessen den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten und musste im Mai 2010 einem von den Regierungen der Eurzone und dem IWF geschnürten und mit drastischen Sparmaßnahmen verknüpftem Rettungspaket zustimmen.
Georgiou, der zuvor für den IWF tätig war und Kampfsport unterrichtet, trat drei Monate später sein Amt als Elstat-Chef an. Im November 2010 erklärte die griechische Statistikbehörde, dass das für 2009 der EU gemeldete Defizit in Wirklichkeit über 15 Prozent des BIP betragen habe. Georgiou stieß mit seinen revidierten und von der Eurostat bestätigten Angaben nach eigener Aussage auf Widerstand innerhalb seiner Behörde.
Vorwürfe gegen Georgiou seitens Anel
Zoe Georganta, früher Mitglied im Elstat-Board, warf Georgiou 2011 vor, unter dem Druck der von Deutschland angeführten Gläubiger das Defizit als zu hoch dargestellt und Griechenland damit dem Spardiktat der Kreditgeber unterworfen zu haben.
Ein Staatsanwalt reichte Klage gegen Georgiou und zwei weitere Elstat-Mitarbeiter wegen gefälschter Daten und Pflichtverletzung ein. Bei einer Verurteilung drohen ihnen je fünf bis zehn Jahre Haft. Die Stop-and-go-Ermittlungen schienen letzten Sommer zum Stillstand gekommen zu sein.
Georgiou hat die Vorwürfe gegen ihn vehement zurückgewiesen und von der Eurostat Rückendeckung bekommen. Er habe nur die Rechnungslegungsstandards der Eurostat angewendet, sagte er.
In einem Interview warf Georganta Georgiou vor, er habe "keine Ahnung von Statistiken; er hat nur getan, was auch immer Eurostat ihm gesagt hat."
"Es ist höchste Zeit, dass der Fall vor Gericht kommt", sagte sie. "Auf diese Weise wird ganz Europa über Eurostats Manöver erfahren, Griechenland loszuwerden. Dies war Teil eines Plans gegen Griechenland." Griechenlands Defizit 2009 habe ihren Berechnungen zufolge bei nur 4 Prozent des BIP gelegen.
Georganta leitet nun den Ausschuss des griechischen Verteidigungsministeriums, der die Militärausgaben des Landes überprüft. Ernannt wurde sie von Panos Kammenos, Verteidigungsminister und Anel-Vorsitzender. Georganta selbst ging im vergangenen Jahr bei den Wahlen zum Europäischen Parlament als Kandidatin für Anel ins Rennen und konnte sich nicht durchsetzen.
Auch Kammenos forderte Georgiou vergangenes Jahr zum Rücktritt auf und beschuldigte ihn, Anweisungen von Griechenlands ausländischen Kreditgebern auszuführen. Georgious strafrechtliche Verfolgung würde Griechenlands Schmerzen lindern, sagte er: "Sobald es eine endgültige Entscheidung über die Statistik-Revisionen gibt, wird keine Kreditvereinbarung und kein Rettungsmemorandum mehr gültig und Griechenland frei sein."
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March 23, 2015 05:24 ET (09:24 GMT)
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