27.04.2016 11:12:45
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Anleger greifen dank weniger Brexit-Ängsten bei Staatsanleihe zu
Von Christopher Whittall und Jason Douglas
LONDON (Dow Jones)-- Die Finanzmärkte scheinen für den Juni bei der heiß erwarteten Brexit-Abstimmung auf ein Bekenntnis zur EU zu setzen. Klare Signale dafür: Es gab zuletzt eine robuste Nachfrage nach einer viele Milliarden britische Pfund schweren Staatsanleihe des Landes. Zudem verteuert sich aktuell die Landeswährung.
Für die 4,75 Milliarden Pfund oder umgerechnet knapp 6 Milliarden Euro schwere Emission gab es eine Nachfrage von 21 Milliarden Pfund, wie sich aus Notizen der Konsortialführer ergibt. Darüber hinaus kletterte das Pfund zuletzt auf einen Wert von 1,4582 US-Dollar - so hoch wie seit Anfang Februar nicht mehr. Die Währung verdankt ihren Höhenflug vor allem jüngsten Meinungsumfragen, wonach die Briten lieber in der EU bleiben wollen. Hier wirkte sich die Rede von US-Präsident Barack Obama aus, der von einem weltweiten Ansehensverlust der Briten nach einem Brexit gewarnt hatte.
Analysten rechnen mit hoher Pfund-Volatilität vor Brexit-Abstimmung Sorgen vor einem EU-Austritt und dessen Auswirkungen für die britische Wirtschaft hatten das Pfund dieses Jahr um 1 Prozent zum Dollar und 5 Prozent zum Euro gedrückt. Aber der Wechselkurs ist relativ volatil und Analysten erwarten weitere starke Marktbewegungen vor dem Referendum am 23. Juni. "In dem Maße, in dem sich die Wahrscheinlichkeit eines Brexit verringerte, kletterte das Pfund", erläutert Portfoliomanager Mike Riddell von Allianz Global Investors.
EU-Befürworter mahnen: Ein Brexit würde die britische Wirtschaft zutiefst treffen, indem die Handelsbeziehungen zum Rest der Welt in Mitleidenschaft gezogen würden. Für Ausländer würde es weniger attraktiv, auf der Insel zu investieren. Die Brexit-Befürworter dagegen schwärmen von einer britischen Wirtschaft, die nach einem Ende der bleiernen EU-Regulierung aufblühen würde. Neue Handelsabkommen könnten geschlossen werden.
Britischer Staat muss Anleihe niedriger als erwartet verzinsen Die aktuell am Markt untergebrachte Anleihe muss die britische Regierung mit gerade einmal 2,29 Prozent verzinsen und damit deutlich weniger, als Banker erwartet hatten. Der Appetit der Investoren auf Anleihen scheint entsprechend ungebrochen zu sein. Die Emission scheint davon profitiert zu haben, dass Investoren auf Jagd nach Staatsanleihen mit einer positiven Rendite sind. Das gilt insbesondere für britische Pensionsfonds, die ihre langlaufenden Verbindlichkeiten absichern müssen. Für fast ein Drittel der Investmentgrade-Staatsanleihen müssen Anleger inzwischen Strafzinsen zahlen.
Anleiheanleger sind sich nicht einig über die Folgen des Abstimmungsergebnisses für die Märkte. Auslandsinvestoren verkauften Bonds zu Beginn des Jahres, doch es gab eine starke Nachfrage durch Inlandsanleger, auf die auch 92 Prozent der Nachfrage nach der aktuellen Emission entfielen.
Anleger hatten Anfang des Jahres sichere Häfen gesucht Dieses Jahr bewegten sich britische Staatsanleihen parallel zur Rally bei Staatsobligationen. Anleger suchten angesichts der Unsicherheit über den globalen Wirtschaftsausblick sichere Häfen. Steigende Preise drückten die Rendite für zehnjährige britische Staatspapiere um 0,3 Prozentpunkte niedriger auf aktuell 1,66 Prozent.
Während es nicht klar ist, wie Staatsanleihen auf einen potenziellen Brexit reagieren, ist die Situation am Devisenmarkt eindeutig. Kurz nachdem das Referendum im Februar für Juni anberaumt worden war, fiel das Pfund auf ein Siebenjahrestief. Insofern rechnen Investoren damit, dass der Handel mit der britischen Währung vor der Abstimmung noch ziemlich stark schwanken wird.
Britische Wirtschaft verliert wegen Brexit-Ängsten an Schwung Die Anleiheemission glückte kurz vor einem Bericht, der diesen Mittwoch ansteht und zeigen dürfte, dass die britische Wirtschaft im ersten Quartal an Fahrt verloren hat. Im Jahr 2015 legten die Briten von den G7-Staaten nach den USA noch am zweitstärksten zu. Für den Dämpfer sorgen offenbar das maue verarbeitende Gewerbe ebenso wie Unsicherheit über den Ausgang des Brexit-Referendums.
Vertreter der Bank of England warnten davor, dass die Wirtschaft in den kommenden Monaten weiter an Kraft verlieren dürfte, da sich die Zweifel an der britischen Zugehörigkeit zu Europa intensivieren könnten. Die Spitze der Notenbank benannte bereits eine Anzahl von Wirtschaftsaktivitäten, die vor der Abstimmung unter Druck geraten könnten, darunter Einstellungen, Investitionen, Immobilientransaktionen und Verbraucherausgaben.
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