Ausblick auf EZB-Sitzung |
20.10.2015 11:45:46
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EZB-Chef Draghi dürfte Anleihekauf noch nicht ausweiten
Alle von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte erwarten, dass die EZB sowohl ihre Leitzinsen als auch das Wertpapierankaufprogramm unverändert lassen wird. Der Leitzinsbeschluss wird um 13.45 Uhr bekannt gegeben, die Pressekonferenz von EZB-Präsident Mario Draghi beginnt gegen 14.30 Uhr.
Die EZB hat seit Beginn ihres quantitativen Lockerungsprogramms (QE) im März Staatsanleihen, Covered Bonds und Kreditverbriefungen für knapp 500 Milliarden Euro angekauft. Damit hat sie rund 40 Prozent ihres rund 1,2 Billionen schweren Ankaufprogramms geschafft, das Ende September 2016 enden könnte. Voraussetzung: Die Inflation hat sich bis dahin so weit normalisiert, dass die EZB an ein "mittelfristiges" Erreichen von knapp 2 Prozent Inflation glauben darf.
Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Die Inflation ist im September wegen des gefallenen Ölpreises wieder unter die Null-Linie gesunken. Der EZB bereitet das wahrscheinlich Sorgen, denn gerade in der Nähe der Null-Linie kommen die Inflationserwartungen nach ihrer Einschätzung besonders leicht ins Rutschen.
Tatsächlich sind mit der Inflation auch die aus Finanzmarktgrößen abgeleiteten Inflationserwartungen zurückgegangen, was die Einschätzung stützt, dass EZB eine Schippe drauflegen wird: entweder über eine Verlängerung des Programms oder über eine Erhöhung des monatlichen Ankaufvolumens und/oder den Ankauf neuer Wertpapiergattungen.
Der EZB-Rat wird sich sicher auch dafür interessieren, ob die regelmäßig von ihm befragten Professional Forecasters ihre Inflationsprognosen ebenfalls zurückgenommen haben. Dem Gremium werden diese Daten zu den Beratungen schon vorliegen. Veröffentlicht werden sie aber erst am Freitag (10.00 Uhr).
Es gibt aber auch zunehmend Stimmen, die eine Ausweitung von QE ablehnen. Sie verweisen darauf, dass auch die von der EZB beobachteten sehr langfristigen Inflationserwartungen von kurzfristigen Ölpreisbewegungen beeinflusst werden. Warum sollte die EZB gegen so etwas mit noch mehr Staatsanleihekäufen vorgehen? Sie zweifeln die Wirksamkeit von QE an und heben die Schäden und Risiken hervor, die QE mit sich bringt.
EZB-Präsident Draghi lässt sich von solchen Stimmen normalerweise nicht aus dem Konzept bringen. Ihn dürfte vor allem beunruhigen, dass der Euro seit dem Start von QE im März dieses Jahres im Trend aufwertet. Auch wenn der Euro immer noch deutlich niedriger liegt als vor einem Jahr, gibt der einzige sichere Wirkungskanal von QE damit immer weniger Schubkraft.
Ein niedriger Euro-Kurs ist deshalb erwünscht, weil er auf zwei Wegen die Inflation antreibt: Er verbilligt Exporte in Drittländer und stärkt damit die Nachfrage. Außerdem verteuert er Einfuhren und treibt damit die importierte Inflation an.
Dass der Euro gegenüber dem US-Dollar seit der EZB-Ratssitzung Anfang September um mehr als 2 Prozent aufgewertet hat, hat aber keine fundamentalen Ursachen, die die EZB beeinflussen könnte. Vielmehr preisen immer mehr Marktteilnehmer die zuvor fest für dieses Jahr eingeplante US-Leitzinserhöhung aus. Das schwächt den Dollar und stärkt den Euro.
Das jüngste Sitzungsprotokoll des Offenmarktausschusses FOMC hat gezeigt, dass inzwischen auch der engste Zirkel um Fed-Chefin Janet Yellen in der Frage gespalten ist, ob die Fed dieses Jahr ihre Zinsen erhöhen soll. Yellen selbst ist ebenso wie ihr Stellvertreter Stanley Fischer dafür.
Beobachter gehen davon aus, dass Yellen die Märkte möglichst frühzeitig auf einen Zinsschritt im Dezember wird einstimmen wollen, wenn sie ihn denn tatsächlich durchsetzen will. Der EZB-Rat kann also hoffen, bis zu seiner Sitzung am 3. Dezember ein einigermaßen klares Bild davon zu bekommen, was die Fed am 16. Dezember tun wird. Das Wiedereinpreisen einer Fed-Zinserhöhung würde den Euro schwächen und der EZB damit ein wenig Arbeit abnehmen.
Für konkretere Aussagen zu einer möglichen QE-Ausweitung erst im Dezember spricht auch, dass der EZB dann ihre neuesten Stabsprojektionen zu Wachstum und Inflation vorliegen werden. Beobachter gehen derzeit davon aus, dass die Inflationsprognosen wohl etwas niedriger als im September ausfallen werden, die Wachstumsprognosen aufgrund von Revisionen für das erste Halbjahr dagegen etwas höher.
Die Frage ist trotzdem, ob und wie EZB-Präsident Mario Draghi angesichts des erstarkenden Euro die Markterwartung zusätzlicher Anleihekäufe schüren will. Bei der vergangenen Sitzung war es die von Beobachtern so nicht erwartete Vergrößerung des Pools ankaufbarer Anleihen gewesen.
Dieses Mal könnte es nach Einschätzung von Howard Archer, Ökonom bei IHS Global Insight, ein Verweis auf die unterschiedlichen geldpolitischen Pfade von EZB und Fed sein. ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski erwartet Hinweise auf verstärkte "Abwärtsrisiken" für das Wachstum, UniCredit-Ökonom Marco Valli allgemein eine "dovishe" Rhetorik.
DJG/hab/cln
Dow Jones Newswires
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)
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